Ein Text fuer die Ausstellung “Malereiforum“ in Kunsthalle Recklinghausen.

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Der koreanische Kuenstler Ung-Pil, Byen. Seine Malerei widmet sich dem klassischen Genre des Portraits. Dargestellt wird ein Mensch, der sozusagen auf seine pure Existenz zurueckgeworfen scheint. Oft sind die Gesichter und die Ansaetze von Oberkoerpern vollstaendig nackt. Kein Kleidungsstueck ist erkennbar, selbst Haupthaare oder gar Augenbrauen oder Bartstoppeln wurden aus dem Bild getilgt. Haut ist folglich in seiner Malerei das Motiv der Oberflaeche - ein fast opakes Surface. Hell- und Dunkelwerte spielen dabei eine entscheidende Rolle. Aehnlich wie bei den bereits besprochenen Bildern ist der Hintergrund farblich gleichbleibend und einfach gehalten. Das Portrait wird sozusagen pur in einen angepassten Farbraum dargestellt.
0Seine Portraits weisen nun besondere Zuege auf Wie bereits erwaehnt, ist ein moegliches Charakteristikum ja die Darstellung der Individualitaet. Byen konterkariert diesen Ansatz: bei ihm taucht immer wieder ein Typus auf, der in unterschiedlichen Posen dargestellt wird. Seine Malerei erinnert in diesem Punkt an die Experimente auf dem Bereich der Wiener Phantastik, namentlich eines Rudolf Hauser. Dieser hat bekanntermassen ja mit seinem auf den verschiedensten Bildern wiederkehrenden ,Adam' eine Art Erkennungsmerkmal, aber auch eine Kunstfigur geschaffen. Aehnliches gilt fuer Byen, mit dem Unterschied, dass seine ,,Kunstfigur" er selbst ist, der sich reflektiert und eben nicht in einer phantastischen Umgebung ansiedelt, sondern sich mit allerhand Eingriffen den Weg ins Groteske bahnt. So malt Byen nicht einfach das Gesicht oder die Haut - oft veraendern Eingriffe der Haende das Dargestellte. Lippen werden hochgezogen, mit den Fingern Guckloecher geschaffen, der Mund auseinandergezogen und die Wangen noch oben gedrueckt. Das zunaechst seiner Individualitaet beraubte, zu einer Kunstfigur stilisierte ,Portrait" bekommt so zuweilen befremdliche Zuege: das Maskenhafte wird in eine Art Stilleben mit ungewissen Ausgang.

Dr. Josef Spiegel,
Leiter des Kuenstlerdorfes Schoeppingen

 

 

 

Waehrend die Slkulpturen von Ung-Pil Byen anonyme Figurinen sind, die vornehmlich durch ihre Haltung, die Stellung im Raum, ihre Groeße und Proportion Wirkung entfalten und so die individuelle Identifizierbarkeit hinter das Figuerlich-Skulpturale zurueckstellen, thematisiert er in seinen Gemaelden die Physiognomie.  In einer geradezu aufdringlichen Naehe betont Byen gerade das, was er in seinen Skulpturen vermeidet: das Portraethafte.  Doch dieses Portraet - zumeist die Selbstdarstellung des Kuenstlers - erfaehrt eine zum Teil extreme Verzerrung.
im Vergleich zu den figuerlichen und auch physiognomischen Verzerrungen Francis Bacons ist die Byens nicht malerisch evoziert, sondern motivisch inszeniert.  Bacons Deformation ist ausserhalb des Bildes nicht denkbar, die von Byen durchaus.  Der Kuenstler setzt seine Physiognomie in der Sphaere der Wirl-,lichkeit einer Verzerrung aus, in dem er das Gesicht gegen eine - nicht sichtbare - Scheibe drueckt oder es mit seinen Haenden traktiert, es temporaer aus seiner natuerlich gegebenen Form herausdraengt.  Nun koennte man meinen, solches waere fotografisch adaequater zu erfassen.  Beispiele dafuer gibt es. Arnulf Rainer nutzte solcherart Fotografien als Vorlagen, die er - dann allerdings malerisch-manuell - ueberarbeitet hat.  Byen zieht es aber vor, diesen kurzen Moment der physiognomischen Verzerrung in einem langsamen malerischen Prozess zu einem Bild werden zu lassen.  Zum Einen bedient er zwar die Erwartung an die Wiedererkennbarl-,eit eines klassischen Portraets, zum Anderen unterlaeuft er diese durch die hoechst naturalistisch inszenierte Deformation.  Was in der Fotografie die Dokumentation einer kuenstlerischen Performance etwa im Sinne des Wiener Aktionismus waere, ist in der Malerei intensivste Selbstreflexion.  Nicht zuletzt der Titel weist uns darauf hin, dass nicht nur die Selbstbespiegelung gemeint ist, sondern die Frage nach dem angemessenen Bild des Menschen an sich.


Ferdinand Ullrich
Direktor der Museen der Stadt Recklinghausen

 

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